Kurz-Interview: Cornelius Woelke im Gespräch mit Patrick Damschen

In der kleinen yogaschule, mitten in der Bonner Altstadt, kann man bei Cornelius Woelke, unabhängig ob Yoga-Anfänger oder Fortgeschrittene/r, flexibel oder steif, einen passenden Yoga-Kurs nach der eigenen Motivation finden. Cornelius bietet fortlaufende Kurse und regelmäßige Seminare. Seit einigen Monaten besuche ich nun die kleine yogaschule und da wurde es Zeit für dieses Interview. Getroffen haben wir uns, wo wir uns sonst auch immer treffen, am Cafe Roller am Frankenbad…

3 schätze: Erzähl doch bitte kurz, wer Du bist.

Cornelius: Ja, mein Name ist Cornelius Woelke und ich habe 2006 die kleine yogaschule
aufgemacht. Seit 2003 unterrichte ich regelmäßig Yoga und habe mich dann sesshaft
gemacht, nachdem ich vorher zwischen Köln, Bonn und Krefeld hin und her unterrichtet
habe.

dky_foto3 schätze: Wie lautet Dein Lebensmotto?

Cornelius: Eine schöne Benediktinerregel besagt, „Finde den Frieden und jage ihm nach“.

3 schätze: Wie bist Du zum Yoga gekommen?

Cornelius: Eigentlich eher zufällig. In den 90ern war ja Yoga noch total esoterisch.
Ich habe mich damals über die Edelsteinheilkunde informiert und kam dadurch immer  wieder mit hinduistischen Texten in Kontakt. Die Philosophie fand ich interessant aber die ganzen Götter waren mir suspekt. Zu dem Zeitpunkt kam ich ja schon mit dem einen christlichen Gott nicht klar. So kam ich zunächst zum Buddhismus und habe einiges über Zen gelesen. In den Büchern steht zwischen den Zeilen ja vor allem immer drin, lies nicht soviel, mach lieber was. So habe ich mich dann bei einem Jesuitenpater in Essen zum Zen-Einführungskurs angemeldet und habe darüber hinaus noch weitere Kurse besucht. Zwischendurch habe ich dann einen Aushang gesehen, da gab es Yoga, nur 50 Meter von meiner Haustür entfernt. Ich bin hingegangen und war am nächsten Tag mit totalem Muskelkater beim Arzt. Der riet mir weiterzumachen und so bin ich dann beim Yoga geblieben.

3 schätze: Welchen Yogastil unterrichtest Du?

Cornelius: Es ist eine kleine Yoga Tradition, in der ich unterrichte. Meine Lehrer, die mich ausgebildet haben und zu denen ich mich hingezogen fühle sind Leopoldo Chariarse und Patrick Tomatis, hatten ihrerseits Lehrer in der kashmirischen Tradition. Außerdem Dr. M.L. Gharote, mein Lehrer im klassischen Hatha-Yoga, wie es im Kaivalyadhama Institut gelehrt wird.

3 schätze: Wie sieht Deine Ausbildung aus?

Cornelius: Ich habe eine BDY-Ausbildung, die damals noch 3 1/2 Jahre dauerte (heute 4 Jahre), und seitdem geht das Lernen bei meinen Lehrern immer weiter.

3 schätze: Was ist das Besondere an dieser kashmirischen Richtung?

Cornelius: Jean Klein, der Lehrer von Leopoldo, hat mal gesagt, es wird genau  genommen kein Yoga „gemacht“, weil Yoga „Vereinigung“ bedeutet, Vereinigung mit dem
göttlichen, dem Universum. In der kashmirischen Tradition sind wir von vorne herein schon mit dem Universum vereint, von daher gibt es da nicht zu verbinden. Es ist eher ein Wiedererkennen. Die Körperarbeit die wir machen dient dazu, uns zu erinnern, das wir ein Teil dieser Welt sind.

3 schätze: Soweit ich das verstanden habe, stammt die kashmirische Tradition ja auch aus dem Tantra. Magst Du dazu etwas erzählen?

Cornelius: Tantra hat vielleicht durch den Neo-Tantrismus, den wir hier im Westen
kennengelernt haben, einen etwas komischen Beigeschmack, denn es meint eigentlich
eine Gruppe von Texten. Der Begriff des kashmirischen Shivaismus ist ein Begriff, der
sich irgendwann mal eingebürgert hat. Es handelt sich um eine tantrische Tradition,
die in Kashmir entstanden ist und sich bis in den Süden Indiens ausgedehnt hat. Die
Philosophie ist mit der Trika-Philosophie nach Abhinavagupta zu beschreiben. Eine
Philosophie, die irgendwann im 10./11. Jahrhundert entstanden ist und die in der heutigen Zeit unter anderem von Swami Muktananda Paramahansa verbreitet wurde. Ich sehe mich eher in der Tradition von Swami Lakshman Joo Raina; zur Zeit bilde ich mich bei Schülern von ihm weiter.

Die Kosmologie dieser Tradition finde ich sehr schön. Sie besagt, dass zunächst nur das Eine da war. Das Eine wird Shiva genannt. Das Eine wollte sich erkennen und teilte sich. Daraus entstand Shiva, das Bewußtsein und Shakti, die Energie. Und Shakti erschuf tanzend die Welt, damit Shiva sich erkennen kann. Wir als ein Teil dieser Welt, sind somit also ein Teil von Shiva, bzw. wir sind Shiva. Durch die verschiedenen Verdichtungsstufen sehen wir das allerdings nicht mehr und deswegen ist es eigentlich ein Wiedererkennen, dass wir diese Einheit besitzen. Ich kann mich anstrengen, körperlich noch fester werden oder aber ich löse nach und nach die körperliche Festigkeit auf und schwinge mich auf eine andere Frequenz, auf der ich das Erkennen wahrnehmen kann.

3 schätze: Meint das Erkennen die Erleuchtung?

Cornelius: Erleuchtung ist mir zu esoterisch, aber es gibt diese Erfahrung meiner  Meinung nach auf verschiedenen Ebenen. Das Ziel ist doch, Frieden und Befreiung im
körperlichen, geistigen und spirituellen Bereich zu finden. Wann nehmen wir z.B.
unseren Körper wahr? Meistens, wenn er schmerzt. Bin ich schmerzfrei und völlig im
Gewahrsein meines Körpers, ist das auf der körperlichen Ebene eine Art Erleuchtung.
Wenn ich frei von Gedanken und Ängsten bin, ist das eine Befreiung oder Erleuchtung
auf der mentalen Ebene. Möglicherweise komme ich dann in Kontakt mit etwas, dem ich
mich völlig anvertrauen kann. Die Zen-Buddhisten nennen dies Leerheit, im Hinduismus
sind dies die ein oder anderen Götter, bei den Christen ist es Gott oder Jesus und bei den Muslims Allah.

Varanasi - Ganges

Varanasi – Ganges

3 schätze: Was bedeutet Yoga für Dich in einem Wort?

Cornelius: „…“ (schweigt)

3 schätze: Was hat dich inspiriert Yoga-Lehrer zu werden? Warum unterrichest Du Yoga?

Cornelius: Zur Yogalehrer-Ausbildung hat mich damals mein missionarischer Eifer getrieben, den ich als  enthusiastischer Yogapraktizierender hatte. Ich wollte unbedingt das weitergeben, was ich selbst praktiziert habe. Ich sah, dass immer wieder dieselben Übungsreihenfolgen angeboten wurden und dachte, das geht schnell, das kann ich auch lernen.

Dann habe ich die Ausbildung der GGF (Gesellschaft für Geisteswissenschaftliche
Fortbildung e.V.) angefangen und da fing eigentlich die große neue Welt erst an. Das
Eintauchen in die Philosophie und die Lebenswelt des Yoga. Die Erfahrungen und
Entwicklungen, die ich dieser Zeit gemacht habe, kann man meiner Meinung nach, kaum
in einer der heute angebotenen Kurz-Ausbildungen für Yoga-Lehrer/innen machen.
Das Erlernte in Philosophie und Praxis zu verarbeiten und zu integrieren braucht seine Zeit. Beim Asana zum Beispiel ist es wichtig das Prinzip einer Haltung zu erlernen, auszuprobieren und zu verstehen, wie man eine Haltung einnehmen kann. Dies kann aus unterschiedlichen Richtungen geschehen. Für mich gibt es kein soundso ist das und fertig.

Mein missionarischer Eifer hat sich dann auf jeden Fall gelegt und ich habe erst mal gar nicht  unterrichten wollen. Später hat sich die Situation dann ergeben, dass ich dann und wann mal einen Yogakurs gegeben habe, bis es sich irgendwann ergab, damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das ist ja auch das schöne am Yoga, gib mir einen Raum, gib mir Menchen und dann kann ich unterrichten. So habe ich angefangen in Köln, Krefeld und Bonn Kurse zu geben.

3 schätze: Wie hat sich Dein Yoga-Unterricht im Laufe der Zeit, im Laufe der Jahre
verändert?

Cornelius:  Da fragst Du am besten meine Schüler. Es gibt noch welche, die schon so
lange dabei sind. Die Körperarbeit ist differenzierter geworden und ich habe immer mehr erkannt, welche Bedeutung die Meditation in der Praxis hat, weshalb sie ein wichtiger Bestandteil meiner Praxis geworden ist.

Ich habe viele, viele Jahre auf unterschiedlichste Arten und Weisen versucht, Körper
zu bewegen, Körper flexibler zu machen, die kurzzeitige Entspannung durch die
Körperpraxis herbeizuführen aber irgendwann  habe ich mich an meinen eigenen Einstieg
in die Yoga-Praxis erinnert. In meiner zweiten Yoga-Stunde habe ich eine Haltung eingenommen, in der ich die Beine hinter dem Kopf verknotet habe. Das konnte ich schon als Kind nicht. Danach habe ich zwei Jahre gebraucht diese Haltung zu vergessen, um sie wieder einnehmen zu können.

Ich bin der Meinung, dass jeder Körper, solange keine anatomischen Dysfunktionen  vorliegen, eine solche Haltung einnehmen kann. Natürlich nur solange der Geist nicht
permanent da ist und uns verfestigt. Für mich ist der meditative Anteil der Praxis
wichtig, um die Wurzel der Verspanntheit aufzulösen.

3 schätze: Ist also Yoga die Vorbereitung für eine gute Meditation und die Meditation
im Umkehrschluss die Vorbereitung des Geistes auf einen flexiblen Körper?

Cornelius: In einem wichtigen, klassischen Hatha-Yoga Text wird am Anfang erwähnt,
„Hatha-Yoga führt zu Raja-Yoga“, wobei Raja-Yoga in diesem Fall nicht den Weg der
Geisteskontrolle meint, sondern ausdrücklich „Erleuchtung“ bedeutet. Ohne Raja-Yoga
ist Hatha-Yoga nur ein Verbiegen der Knochen.

3 schätze: Wo wir gerade beim „Knochenverbiegen“ sind, wie gehst Du in Deiner Yoga-
Praxis und in Deinem Leben mit Grenzen um?

Cornelius: Grenzen – finde ich gut. Ich arbeite gerne mit ihnen, in dem man sich ganz  vertrauensvoll an sie lehnt. Grenzen kann man eigentlich nur sehen und erweitern, wenn man vor ihnen stehen bleibt und sie betrachtet. Wenn man mit Geschwindigkeit und Kraft darüber hinaus geht und dann auf einmal hinter sich schaut und merkt, hoppla, da war ja eine Grenze, ist zumindest der Muskelkater vorprogrammiert. Eine Grenze ist wie ein scheues Reh. Man könnte auch hier wieder die meditative Praxis anwenden und schauen, was ist das, was mir diese Grenze aufzeigt, was für Bilder, was für Gedanken tauchen auf? Inwiefern läßt sich die Grenze erweitern? Kopfstand, Handstand, alles wunderbare Übungen, um Grenzen zu erweitern, die Perspektive zu wechseln, mit seinen Ängsten umzugehen. Grenzen spüren und sehen, welche brauche ich und welche nicht. Die meisten, nicht.

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New Delhi Airport

3 schätze: Kopfstand oder Handstand sind ja auch Übungen, die man vom ordinären
Bodenturnen kennt.

Cornelius: Ja, ich nehme gerne ganz ordinäre Haltungen. Ich muss nicht unbedingt nur klassische Asanas machen. Wann wird eine Haltung aus dem Bodenturnen zum klassischen Asana?

Ich kann jede  Haltung auf so viele  unterschiedliche Weisen machen. Die vielen Yoga-Stile, die es heute gibt, haben dieselben Haltungen und haben jedesmal einen anderen Ansatz in sie hineinzugehen, sie aneinander zu reihen und das macht dann den Stil aus. Wie gehe ich an Trikonasana (Dreieckshaltung) heran? Das kann ich in der Iyengar Tradition so und so machen, in der Ashtanga Tradition so und der Kundalini  Tradition nach Yogi Bhajan wieder an anders machen. Meine Art und Weise ist dann vielleicht wieder anders. Eine Übung ist in den unterschiedlichen Herangehensweisen der unterschiedlichen Traditionen jeweils anders, auch in ihrer Wirkungsweise. „Die unterschiedlichen Yoga-Stile schiessen aus dem Boden wie Pilze“, sagte Boris Sacharow, der Begründer der „Ersten Deutschen Yogaschule (EDY)“ in den 20er Jahren und es ist schön, dass es so viele bunte Pilze gibt.

3 schätze: Was ist Dir wichtig?

Cornelius: Die Lehrer meiner Lehrer, z.B. Jean Klein, haben in einer kashmirischen
Tradition in Indien gelernt. Patrick Tomatis hatte einen kashmirischen Lehrer in Paris und natürlich hat mich irgendwann interessiert, was ist diese kashmirische Tradition. So setze ich mich in den letzten 6 bis 7 Jahren intensiver mit dem kashmirischen Shivaismus auseinander, welcher die philosophische Grundlage für dieses System ist.

Teilweise wird hier der achtgliedrige Pfad von Patanjali, mit z.B. Yama, Niyama, Asana, Pranayama usw. nochmal anders interpretieren. Hier ist die einzigen Asana, die wirklich ein Rolle spielen, die Sitzhaltungen für die Meditation. Im Netra-Tantra heißt es daß, wenn Du in einer bestimmten Betrachtung auf den Atem bist, den Geist vollständig darin gesammelt hast, dann ist das Asana.

Die Entwicklungen des Yoga, wie wir ihn heute kennen, haben eigentlich immer mehr
dazu geführt, dass wir vom klassischen Hatha-Yoga weggekommen sind, der die
Körperhaltungen für Energielenkungszwecke genutzt hat aber eben auch, damit der
Körper stabiler wird, damit er über Stunden aufrecht sitzen kann. Aber, wie gesagt,
Hatha-Yoga ist nichts ohne Raja-Yoga, beides gehört zusammen. Mein Lehrer, Dr.M.L.Gharote, hat immer gesagt, damit wir in der Meditation gerade und aufrecht
sitzen können, muss der Körper stark und flexibel sein. Wenn der Körper so stark und
so flexibel ist, dass er stundenlang aufrecht in Meditation verweilen kann, kann es
auch passieren, dass man die Beine hinterm Kopf verknoten kann aber das ist nicht das
Ziel. Der Körper ist ein Werkzeug, um mit ihm zu arbeiten.

3 schätze: Inwieweit vermittelst Du in Deinem Unterricht die Yoga-Philosophie? Gibt
es da ein Interesse auch den theoretischen Hintergrund, z.B. Deiner kashmirischen
Tradition zu verstehen? Manchmal habe ich den Eindruck, dass sich manche Menschen
gerne eine eigene Philosophie, aus hinduistischen und buddhistischen Ansätzen
zusammenbasteln und dazu Körperübungen praktizieren.

Cornelius: Es gibt in meinen Stunden immer wieder die Möglichkeit Fragen zu stellen.
Im normalen Kursbetrieb halte ich keine Vorträge aber wenn Fragen kommen, werde ich
die platzsparend beantworten. Ansonsten biete ich während meiner Yoga-Tage immer
wieder den Raum, um Fragen bezüglich der Theorie genauer erläutern zu können. Obwohl sich Theorie ja sehr trocken anhört. Manchmal kann man aber auch anhand der
Körperhaltungen sehr schön die Philosophie erklären. Umkehrhaltungen, z.B.  Rückbeugen, eignen sich wunderbar, um  zu sich umzukehren, in sich einzukehren.

3 schätze: Was hat es eigentlich mit dem Barfusssoziotop auf sich?

Cornelius: Als Yoga-Lehrer arbeite ich oft auch abends und kann mir manche Musiker,
die ich vielleicht gerne sehen würde, nicht sehen, weil ich gerade unterrichte. Aber ich habe einen Raum und so lade ich mir von Zeit zu Zeit einfach Musiker ein, die Lust haben „Wohnzimmerkonzerte“ in der kleinen yogaschule zu spielen. Die Barfusskonzerte sind aber keine Veranstaltungen der kleinen yogaschule, sondern sie sind mein persönliches Vergnügen.

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3 schätze: Und nebenbei ein Vergnügen mit einer wahnsinnig guten Akkustik und einer
tollen Bandauswahl.

Cornelius: Ja, irgendwie ist das für mich auch ein Teil von Yoga. Ich habe den Raum,
ich habe die Möglichkeiten, also biete ich etwas an. Vielleicht ist das Karma-Yoga?!

3 schätze: Danke!

die kleine yogaschule
Hatha Yoga · Kurse & Seminare für Körperarbeit und Meditation
Georgstraße 24 A · 53111 Bonn · Tel.:0228-24 00 820
Für Fragen und Informationen unter:
kurse[at]yib.info
www.diekleineyogaschule.de

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